Ein anderer Blick
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gäste in St. Aegidien,
Als man Fotos noch mit dem Fotoapparat geschossen hat und die entsprechende Kamera es konnte, musste man manchmal wählen zwischen einem Normal-, Tele- oder Weitwinkelobjektiv, je nachdem, was man aufnehmen wollte. Wenn man z.B. eine Person im Portrait aufnehmen wollte, zeigte sich das Gesicht jeweils etwas anders, wenn man die verschiedenen Objektive genutzt hat und sich halt mit der Entfernung darauf einstellen musste. Eine Nahaufnahme mit Weitwinkelobjektiv z.B. verzerrt das Gesicht irgendwie, obwohl man die Person unabhängig vom gewählten Gerät immer gleich erkennen konnte.
Eine andere Optik und Entfernung verändern die Wirkung einer Person oder einer Sache zwar nicht grundsätzlich, können aber einen bedeutsamen Unterschied in der Betrachtung und Wahrnehmung ausmachen.
Wenn wir im Leben sagen und es in den Ferien tun können: „Ich brauche mal Abstand“ – meint das vielleicht im übertragenen Sinne auch: Mein Leben ist mein Leben. Aber ich möchte es nochmal neu sehen und verstehen durch einen veränderten Blick, einen anderen Abstand und eine andere innere Optik.
Ich wünsche uns für die Ferien so ganz besonders die Erfahrung, dass wir spüren: ER, unser Vater im Himmel, nutzt das Objektiv der Liebe und schaut so liebevoll auf unser Leben. Damit entlastet Er uns mit der Botschaft: Ich liebe dich so wie du bist. Vielleicht können wir unser eigenes Leben aus dem Abstand auch etwas liebevoller anschauen. Daher lebe aus der Liebe – dann bist du der erfüllte Mensch, der du sein möchtest.
Propst Martin Tenge

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